Gegen den Missbrauch von KZ-Gedenkstätten

15. April 2013

Erklärung des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos und des Beirates der Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald an der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora aus Anlass des 68. Jahrestages der Befreiung

Seit Dezember 2012 hat Tuvia Tenenbom die Arbeit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora immer wieder in einer Weise öffentlich angegriffen und diffamiert, die uns tief beunruhigt. Ohne die Geschichte der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora zu kennen, ohne mit der Arbeit der Stiftung vertraut zu sein und ohne mit uns, den Überlebenden, gesprochen zu haben, behauptet Herr Tenenbom, dass das ehemalige KZ Buchenwald, in dem die SS über 56.000 Menschen ermordet hat, heute ein „Disneyland“ sei, das von verkappten Antisemiten geführt würde. Diese Vorwürfe sind so abstrus, dass sie sich selbst ad absurdum führen.

Wir weisen die Unterstellungen trotzdem öffentlich zurück, weil wir in diesen Unterstellungen eine Entwicklung der Erinnerungskultur sehen, der wir entschieden entgegentreten. Die Orte unseres Leidens und unseres Widerstands dürfen auch dann, wenn wir nicht mehr sind, nicht missbraucht werden, so wie dies Herr Tenenbom tut. Wir akzeptieren nicht, dass unsere Geschichte, dass die Geschichte der in den Lagern ermordeten Menschen für kommerzielle Zwecke ausgeschlachtet oder dass sie für politische Zwecke instrumentalisiert wird. Wir erinnern an die auch vom Internationalen Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos mitverfasste gemeinsame Erklärung der Häftlingskomitees aller Konzentrations- und Vernichtungslager vom 27. Januar 2009, die wir dem Deutschen Bundestag übergeben haben. Dort heißt es: „Nationalsozialismus und Krieg haben in Europa eine schreckliche Bilanz hinterlassen: Millionenfacher Mord, Hunderttausendfache‚Vernichtung durch Arbeit’, Versklavung der Völker,Entwürdigung der Menschen.

Wir, die ehemaligen Häftlinge, haben die Lager überlebt. Seither gedenken wir der Millionen Opfer, die an diesen Orten um ihr Leben gebracht wurden. Wir schworen, eine neue Welt des Friedens und der Freiheit aufzubauen. Und wir haben zeitlebens
Zeugnis abgelegt von den Verbrechen der Nationalsozialisten. Wir haben uns engagiert, um eine Wiederkehr dieser unvergleichlichen Verbrechen zu verhindern. (…) Nur das konsequente Bewusstmachen der Vergangenheit kann falsche Entwicklungen in Gegenwart und Zukunft verhindern. (…) Erinnerung und Gedenken stehen immer wieder in Gefahr, instrumentalisiert zu werden. Anstatt unsere Ideale gegen Unterdrückung und Verletzung der Menschenrechte und für Frieden, Demokratie, Toleranz und Selbstbestimmung durchzusetzen, wird Geschichte nicht selten benutzt, um zwischen Menschen, Gruppen und Völkern Zwietracht zu säen.“

Dagegen wenden wir uns! Gemeinsam mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora arbeiten wir seit der Gründung der Stiftung in diesem Geist zusammen! Besonders wichtig ist es uns, die Erinnerung daran wach zu halten, dass alle Formen nationalsozialistischer Verfolgung und nationalsozialistischer Greuel Teil der Geschichte des KZ Buchenwald sind.

Von der Verfolgung politischer Gegner und Widerstandskämpfer aus ganz Europa, über die Verfolgung von Zeugen Jehovas, Homosexuellen oder Deserteuren der Wehrmacht bis hin zur Verfolgung von Sinti und Roma, bis hin zur Shoa. Keine Gruppe, die in Buchenwald gelitten hat, niemand, der in Buchenwald Widerstand geleistet hat, darf vergessen werden! Wir wenden uns deshalb an alle, in diesem Sinne unseren Kampf für eine gerechte, friedliche, von Rassismus und Antisemitismus freie Welt mit wachem Bewusstsein und uneingeschränktem Blick auf die Geschichte des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen fortzusetzen. Buchenwald kann nicht ungeschehen gemacht werden. Aber wir haben in der Vergangenheit gemeinsam mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora gezeigt, wie aus Orten des Grauens Orte uneingeschränkter Erinnerung und aufrichtigen Gedenkens, wie aus Orten des Grauens Orte historischen und politischen Lernens und der transnationalen Verständigung und Aussöhnung werden können. Wir fordern dazu auf, diesen Weg fortzusetzen und die Gedenkstätten nicht zum Spielball von Geschäftemachern oder politischen Scharlatanen werden zu lassen.

Comité international BUCHENWALD-DORA ET KOMMANDOS
Bertrand Herz Président

Beirat der Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald
Floréal Barrier Vorsitzender