Rede von Christoph Matschie

17. April 2010

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Bertrand Herz,
verehrte ehemalige Gefangene hier in Buchenwald,
besonders auch sehr geehrter Herr Semprún,
Sehr geehrte Veteranen der 3. US-Armee,
Herr Bundestagspräsident,
Abgeordnete aus Bundestag und Thüringer Landtag,
Frau Ministerpräsidentin,
meine Damen und Herren,

heute ist ein „Tag der Freiheit“. Es ist ein Freudentag und zugleich ein Tag der Erinnerung an das dunkelste Kapitel unserer Geschichte. Unsere Gedanken sind bei den Ermordeten. Mein Respekt ist bei den Überlebenden.

Vielen der nach 1945 Geborenen geht es wie mir. Wenn ich das Lager betrete, wenn ich vor den Resten der Mauern stehe, wenn ich die Verbrennungsöfen sehe – schnürt es mir immer wieder die Kehle zu. Das Grauen ist noch präsent. Die monströse Vernichtungsmaschinerie der Nazis führt uns vor Augen, wozu Menschen fähig sind. Damals und Heute.

Barack Obama hat bei seinem Besuch im vergangenen Jahr gesagt: „… es ist wichtig, dass wir uns in Erinnerung rufen, dass die Täter, die solch Böses verübten auch Menschen waren, und dass wir uns gegen die Grausamkeit in uns selbst wappnen müssen.“

Dieser Ort darf niemals schweigen. Nie dürfen wir vergessen, was Menschen im Namen der Nazi-Ideologie anderen Menschen angetan haben. Dazu brauchen wir die authentischen Stimmen der Erinnerung. Die Stimmen der Überlebenden. Und wir brauchen diejenigen, die diese Erinnerung weitertragen in die nächsten Generationen.

Ich möchte mich, im Namen der Stiftung Buchenwald, bei allen ehemaligen Häftlingen bedanken, die über viele Jahre die so schmerzhafte und schwere Erinnerungsarbeit geleistet haben. Zuletzt war es im Januar diesen Jahres Albert van Dijk, der uns mit seiner Rede hier in Buchenwald sehr bewegt hat. Er sagte: „Es fällt mir nicht leicht, mich an diesem Ort zu äußern. …. Ich gehe hier auf Wegen, von denen ich annahm, dass ich sie nie wieder freiwillig betreten würde. Wege, die mit Blut, Schweiß und Todeskämpfen durchtränkt sind.“

Der Name Buchenwald steht für ein Vernichtungssystem ohne Erbarmen, ohne jede Menschlichkeit das selbst vor Kindern nicht Halt machte. Rund 900 Kinder waren im Lager, als die amerikanischen Truppen hier einrückten. Dieser 65. Jahrestag der Befreiung soll besonders auch ihr Schicksal noch einmal in den Blick nehmen.
Ich bin froh und dankbar, dass eine ganze Reihe von ihnen heute hier unter uns sein können! Buchenwald darf niemals schweigen. Denn nur mit der wachen Erinnerung an die Unmenschlichkeit dieses Ortes können wir das Vermächtnis der Opfer erfüllen, das da heißt: Nie wieder!

Das ist keine Aufgabe der Vergangenheitsbewältigung. Der Kampf gegen das Vergessen und der Einsatz für Menschlichkeit gehört in die Gegenwart. Bosnien, Ruanda, Darfur – all diese Orte zeigen uns das.

Von Elie Wiesel, der selbst als 16-Jähriger Auschwitz und Buchenwald überlebte, stammt der Satz: „Man kommt nicht als Gerechter auf die Welt. Man wird es. Wer ein Gerechter geworden ist, muss an sich selber arbeiten, damit er es bleibe.“

Unsere Welt zeigt uns immer wieder, wie sehr wir für die Gerechtigkeit arbeiten müssen. Für Ihren Beitrag dazu danke ich Ihnen.

11. April 2010

Christoph Matschie ist Thüringer Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur