Ansprache von Bertrand Herz aus Anlass des 63. Jahrestag der Befreiung des KZ Buchenwald am 13.04.2008 (auf dem ehemaligen Appellplatz)

17. April 2008

2008 ist der 70. Jahrestag von zwei wesentlichen Ereignissen innerhalb der sich entwickelnden nationalsozialistischen Verbrechen:

Mit der Ankunft der Österreicher in Buchenwald nach dem Anschluß im März 1938 und der Tschechen nach dem Münchner Abkommen im September 1938 beginnt die Internationalisierung des Lagers.

Und 1938 beginnt in Buchenwald das, was später unter dem Begriff der « Massenvernichtung » in die Geschichte eingehen sollte : zuerst Mitte 1938 die Ankunft der ersten gefangenen Sinti und Roma, die Opfer der Rassenpolitik der Nationalsozialisten wurden sowie die Ankunft von Tausenden von Juden nach dem vom nazistischen Staat organisierten Pogrom vom 9. November 1938.

Am 11. April wurden die Opfer der Massenvernichtungen auf der Veranstaltung geehrt, die die Gedenkstätte unter Mitwirkung des Internationalen Komitees organisiert hat. Hier auf dem Appellplatz werden heute zwei Redner an unsere österreichischen und tschechischen Kameraden erinnern und Guy Ducoloné, ein deportierter Widerstandskämpfer, gibt im Namen des Internationalen Komitees eine Erklärung dazu ab. Und schließlich wird unser Kamerad Floréal Barrier, Präsident des Häftlingsbeirates der Gedenkstätte, an den 50. Jahrestag der Einweihung des Mahnmals erinnern, einer beeindruckenden Anlage zu Ehren des Kampfes und des Leides der Häftlinge und besonders zu Ehren unserer verstorbenen Kameraden, an die symbolisch die Massengräber der Straße der Nationen erinnern.

Die Gedenkveranstaltungen dienen dazu, das Gedenken an die nazistischen Verbrechen dauerhaft zu erhalten, aber sie reichen nicht aus, um dieses Andenken zu schützen. Es gibt gegenwärtig, besonders in Deutschland, Versuche, es herunterzuspielen und mit der Erinnerung an alle Diktaturen zu vermischen. Niemand hat das Recht, ein Land daran zu hindern, sich mit seiner eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, so wie Deutschland dies mit der Zeit nach 1945 tut. Aber die Erinnerung an die Verbrechen des Nazismus ist anders. Es handelt sich hierbei um eine internationale Erinnerung. Es ist die Erinnerung an eine kriminelle Ideologie, wie sie die Welt nie zuvor gekannt hatte, an den nationalsozialistischen Staat, der sich in einem voll verantwortlichen Deutschland entwickelt und versucht hat, die Welt zwischen 1933 und 1945 zu unterjochen.

Obwohl sie sich auf deutschem Boden befinden, erhalten die Gedenkstätten der nazistischen Konzentrationslager und speziell die Gedenkstätten von Buchenwald und Mittelbau-Dora nicht nur das Andenken an die deutschen Opfer und Kämpfer gegen den Nazismus, sondern auch das an die Häftlinge aus 28 Nationen Europas und der Welt, die Opfer des Hitler-Regimes wurden. Die nazistischen Lager in Deutschland sind Stätten des internationalen Gedenkens. Die Überlebenden aller Nationen können nicht zulassen, daß der Charakter dieser Lager, Orte entfesselter nazistischer Barbarei, abgeschwächt wird, indem er mit der Nutzung nach 1945 vermischt wird. Gegen eine derartige Vermischung hat sich der Häftlingsbeirat von Buchenwald im November letzten Jahres feierlich ausgesprochen.

Wenn wir nicht mehr da sind, müssen die kommenden Generationen dieses Andenken bewahren, so wie es die Weimarer Stadträte feierlich am 14. Juli 2007 getan haben. Wichtig ist dabei nicht in erster Linie, an unsere Leiden zu erinnern, sondern das Bürgerbewußtsein dafür zu schärfen, welche Ursachen zu dieser Ideologie des Todes geführt haben. Wir müssen gegen das Wiedererstarken der Keime von Haß und Gewalt in Europa kämpfen, die eine Wiederbelebung des Faschismus und Nazismus in sich tragen können: wie die Entwicklung von Rechtsextremismus, Antisemitismus, die Vermischung oder sogar Verleugnung der Massenvernichtung, eine Politik der Ausgrenzung von Minderheiten, Gewaltanwendung gegen Einzelne oder Gemeinschaften usw.

Deshalb ist es mir ein besonderes Bedürfnis, die hier anwesenden 1000 Jugendlichen aus 16 Nationen zu begrüßen, die mit Hilfe des belgischen Instituts für Kriegsveteranen und der FIR gekommen sind, um ihren Willen zu bekunden, das Andenken an die Verbrechen des Nazismus für immer zu bewahren und gegen jedes Aufkeimen dieser Ideologie zu kämpfen. Vielen Dank euch allen. Wir brauchen euch.