„Keine Folter, nicht die Zerstörung seiner ersten Familie, auch nicht elf Jahre Haft konnten ihn zerbrechen“ Klaus Dimler über seinen Vater Kurt Oskar Dimler       

Von den 11 Kindern seiner armen Bergarbeiterfamilie erreichten nur 8 Kinder das 5. Lebensjahr. Dieser Überlebenskampf prägte sehr früh sein Denken. Seine Lehre als Korbmacher (in Kost und Logis) von 1917–1919 brachte ihm nach dem Konkurs des handwerklichen Lehrbetriebs keinen Broterwerb. Bei seiner ständigen Suche nach Arbeit kam er u. a. auch nach Hamburg. Mal als Seemann, mal auf der „Walz“, organisierte er sich schnell in der Gewerkschaft und der USPD. Auf der Suche mit Gleichgesinnten nach politischen Veränderungen nahm er – noch jung an Jahren an den Klassenkämpfen der Jahre 1918 – 1923 teil. 

Medaille bewaffnete Kämpfe 1918-23

Von Ernst Thälmann und den Kämpfen in Hamburg beeindruckt, wurde er 1923 Mitglied der KPD. Die aufkommenden Angriffe von SA und der Polizei auf Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Gegner des Nationalsozialismus begründeten seinen Eintritt in den RFB und der Roten Hilfe. Ab 1925 hatte er für die damaligen Verhältnisse einen sicheren Arbeitsplatz in der Braunkohle Kretzschau/Zeitz. So konnte er 1927 eine Familie gründen und im gleichen Jahr wurde Tochter Traudel und ein Jahr später Tochter Elfriede geboren. Die Uneinigkeit zwischen KPD und SPD waren u. a. ein Grund dafür, daß den Faschisten im Januar 1933 die Macht übertragen werden konnte. Nach dem sofortigen Verbot der KPD bildeten mein Vater und seine Kameraden aktive Widerstandsgruppen. Am 1. Mai 1934 gelang es ihm, die rote Fahne auf dem Schornstein des Braunkohlewerkes anzubringen. Durch Verrat flogen fast alle Widerstandsgruppen in seinem Wirkungsgebiet auf.

Im Sommer 1934 wurde Kurt bei der Feldarbeit verhaftet. Es folgten die bekannten Kommunistenprozesse 1934/35 in Naumburg. Vater und seine Freunde erhielten Höchststrafen von fünf Jahren Zuchthaus (in Kassel-Wehlheiden). Nach verbüßter Haft folgte nicht die Freilassung, sondern 14 Tage Gestapofolter in Halle. Er blieb standhaft und kam im August 1939 in das KZ Buchenwald. Schnell erwarb er sich das Vertrauen seiner Genossen und behielt im Lager sein Pseudonym „der Boxer“. Auf Grund seiner bekannten Sportlichkeit wurden ihm verschiedene Lagerfunktionen als „Läufer“ übertragen. Ob in der Wäscherei, verschiedenen Außenkommandos, z. B. im Gustloffwerk zur illegalen Beschaffung von Waffen, leistete er seinen Beitrag im internationalen Lagerkomitee (ILK) und der internationalen Militärorganisation (IMO). Der unglaubliche Erfolg der Selbstbefreiung der Häftlinge wäre heute vorbehaltloses Beispiel zur Bildung einer starken antifaschistischen Einheitsfront. Mit dem Schwur von Buchenwald im Herzen wurde Kurt am 14.05.1945 mit seinen Zeitzer Kameraden in die Freiheit aus dem KZ Buchenwald entlassen. Persönlich hatte er in 11 Jahren Haft in Zuchthaus und Konzentrationslager faktisch alles verloren. Die 18 Jahre alte Tochter Traudel ging nach der Befreiung mit einem US-Offizier für immer in die USA und kam nie mehr nach Deutschland zurück. Die 17jährige Elfriede behielt Vater bis zu ihrem Tod 2018 in ihrem Herzen.

Abgemagert und gesundheitlich schwer gezeichnet, gehörte Kurt mit seinen Kameraden zu den Aufbauaktivisten der ersten Stunde. Mit dem Polizeiausweis Nr. 1 wurde er durch die sowjetische Kommandantur zum Leiter der Betriebspolizei Weißenfels/Hohenmölsen/Zeitz ernannt.

Dienstausweis

Später kam die Grenzpolizei, die Polizeischule Gardelegen und das VPKA Zeitz dazu. Kurt war ein Vorbild beim nationalen Aufbauwerk der Organisation des Sports, der Jugend, besonders der FDJ und der jungen Pioniere. Unermüdlich engagierte er sich bei Vorträgen und Exkursionen zum Thema Faschismus.

Noch einmal eine Familie zu gründen, war wohl Vaters größter persönlicher Wunsch. So wurde ich im Kälte- und Hungerwinter 1946/47 und meine Schwester im Juni 1949 geboren.

Familienfoto Sommer 1947

Mit seinen Kameraden aus dem Widerstand und seinen nationalen und internationalen Freunden blieb er zeitlebens verbunden. Für ihn war besonders tragisch, daß ihn seine 23 Jahre jüngere Frau angesichts seines nahen Todes verließ. Kurz vor seinem 68. Geburtstag starb er und wir Kinder mußten viel zu früh von ihm Abschied nehmen. Am 28.01.1972 bekam er ein militärisches Ehrengeleit zum späteren antifaschistischen Gedenkort in Zeitz. Hier ist er mit 21 ehemaligen Kameraden/Widerstandskämpfern für immer vereint. 

Kurt Dimmler 1962