Rede von Joe Mertens, VVN-BdA Siegerland-Wittgenstein am 17. April 2011 im Kinosaal der Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald / Weimar
25. April 2011
p { margin-bottom: 0.21cm; }
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
gestatten Sie mir, dass ich zu Beginn meiner Ausführungen zum Ausdruck bringen, wie froh es mich und meine Kameradinnen und Kameraden der VVN-BdA Siegerland-Wittgenstein macht, dass wir heute hier in besonderer Weise an Walter Krämer erinnern.
Wir möchten uns bei der Lagerarbeitsgemeinschaft bedanken, die uns die Gelegenheit eingeräumt hat das Wort an Sie zu richten.
Bedanken möchten wir uns auch für die gute und herzliche Zusammenarbeit, die hoffentlich noch weit über diesen Tag hinaus andauern wird.
Meine Damen und Herren,
als der ehemalige Siegener Bürgermeister Ulf Stötzel im Jahr 2001 im Beisein des israelischen Gesandten, der Beauftragten der Gedenkstätte Yad Vashem und nicht zuletzt von Artur Radvansky, dem ehemaligen Buchenwaldhäftling der selbst von Walter Krämer operiert worden war, in der Feierstunde zur Verleihung des Ehrentitels „Gerechter unter den Völkern“ die Leistungen des Siegener Kommunisten würdigte, da schien eine Wende eingetreten zu sein in der langen und beschämenden Auseinandersetzung um dessen Person.
Stötzel stellte Krämer auf eine Stufe mit dem Hitlerattentäter Graf von Stauffenberg und machte den Antikommunismus der „alten Bundesrepublik“, wie er sich ausdrückte, verantwortlich für die Versagung jeglicher Anerkennung bis dato. Es sei endlich an der Zeit auch den sozialistischen und kommunistischen Widerstand anzuerkennen, sagte er.
Aus diesen Worten ist jedoch nie etwas erwachsen. Im Gegenteil: Nur wenige Jahre später legen seine Parteifreundinnen und -freunde noch eine Schippe oben drauf und diffamieren Krämer in öffentlicher Sitzung als Kriminellen.
Kein Ausrutscher denn ein Landtagsabgeordneter der Siegener CDU, selbst Rechtsanwalt, bekräftigt wenig später den Vorwurf Krämer sei ein Dieb. Er spielt an auf eine Begebenheit aus dem Jahre 1921 als Krämer gemeinsam mit einem Kollegen auf der Arbeit etwas hatte mitgehen lassen. Er hatte sich später deswegen gestellt und wurde zu neun Monaten verurteilt. Er hat diese Tat wohl einmal selbst als seine größte Dummheit bezeichnet.
Das ist es also was die Ehrung des Arzt von Buchenwald, des Gerechten unter den Völkern unmöglich macht? Ein unbedeutender Diebstahl, zu dem noch durch eine abgesessen Strafe gesühnt?
Wohl kaum. Es kann eben nicht sein, was nicht sein darf. In Siegen wird keinem Kommunisten Ehre zu teil. Dafür will die CDU garantieren.
Das hat in Siegen eine lange Tradition. Schon 1947 lehnte der Stadtrat einen Antrag der örtlichen KPD ab die Alfred-Fißmer-Straße in Walter-Krämer-Straße umzubenennen. Eine Mehrheit im Rat der Stadt Siegen hatte zuvor diese Straße nach dem nationalsozialistischen Oberbürgermeister von Siegen benannt – entgegen dem Willen der Militärbehörden. Auch heute noch gibt es Straßen in Siegen, die den Namen von Antisemiten und Faschisten tragen. Doch jegliche Umbenennungsbestrebungen blieben bis lang ungehört.
Dennoch scheint derzeit Bewegung in unsere Sache gekommen zu sein. Die Zahl derer, die eine Ehrung Krämers befürworten, ist in den Jahren der Auseinandersetzung stetig gestiegen und auch das Unverständnis über die Blockadehaltung der Verantwortlichen im Siegener Rat.
Es zeichnet sich ab, dass eine Würdigung möglich wird, auch gegen den Willen der CDU.
Doch noch ist dies nicht spruchreif und glauben werden wir es erst, wenn der Beschluss tatsächlich gefasst wurde. Die Jahre der Auseinandersetzung haben uns skeptisch werden lassen.
Immerhin war es 1997 noch eine Mehrheit von SPD und Grünen im Rat, die sich nicht auf einen Walter-Krämer-Platz hatte verständigen können.
Doch das Bild hat sich grundlegend gewandelt. Lassen Sie mich dies zum Ausdruck bringen, indem ich an dieser Stelle ganz besonders Willi Brase, Vorsitzender der DGB- Region Südwestfalen, SPD Unterbezirksvorsitzender und Mitglied des Bundestages sowie Herrn Raimund Klauser stellvertretend für die Fraktion der Grünen im Rat der Stadt Siegen hier begrüße.
Unser Streben nach Frieden, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit – Solidarität, Humanismus und Antifaschismus sind die Klammer, die uns trotz aller Differenzen, vereint. Walter Krämer steht für diese Werte und ist ein Symbol für unsere Gemeinsamkeiten. Wo bekommt dies mehr Bedeutung als hier in Buchenwald, wo das Vermächtnis derjenigen unterschiedlicher Nationalität und Überzeugung, die unter den Bedingungen des faschistischen Terrors gelitten haben und gemordet wurden, uns mahnt?
Vielleicht werden wir also schon bald eine gute Nachricht aus Siegen vermelden können.
Eine solche Entscheidung ist dann vielleicht der versöhnlich stimmende Schlusspunkt in einer unwürdigen Debatte. Doch sie darf keinen Schlussstrich in der Auseinandersetzung mit Walter Krämer bedeuten, wie sich das sicher auch einige wünschen, die eine solche Entscheidung für diese Ehrung mit tragen werden.
Die VVN-BdA Siegerland-Wittgenstein hatte die Einrichtung einer historischen Kommission eingefordert, die auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse das Leben Walter Krämers darstellt und eine umfassende Bewertung seiner Person und seines Wirkens vornehmen sollte.
Die Reaktionen auf diese Forderung waren durchweg positiv, sowohl von Seiten der Parteien als auch vom Bürgermeister selbst. Fast 1500 Bürgerinnen und Bürger schlossen sich durch ihre Unterschrift unserer Forderung an.
Doch diese Kommission wird es nicht geben. Das ist nachvollziehbar, denn die Kosten wären für eine Kommune kurz vor dem Nothaushalt nicht zu rechtfertigen. Dennoch halten wir an der Idee einer Befriedung in der Thematik durch Aufklärung und sachliche Auseinandersetzung fest.
Die LAG Buchenwald und die VVN-BdA Siegerland-Wittgenstein planen im November zum 70. Jahrestag der Ermordung Krämers die Durchführung eines Symposium in Siegen mit dem derzeitigen Arbeitstitel: „Widerstand im KZ Buchenwald – Leben und Wirken des Siegeners Walter Krämer“.
Unserer Meinung nach wäre die Beteiligung der Stadt Siegen an diesem Symposium nach der Absage an die Kommission nicht nur richtig sondern verpflichtend. Aber die Signale, die wir bisher aus dem Rathaus und den Fraktionen bekommen haben, machen uns wenig Hoffnung.
Wir werden trotzdem weiter für das Symposium werben und einen Antrag dazu in den Rat tragen. Durchführen werden wir es aber unabhängig von der Entscheidung in jedem Fall.
Ich möchte Sie und Euch schon heute herzlich dazu einladen. Das Symposium wird ein weiterer wichtiger Baustein sein, den Siegenerinnen und Siegenern ihren Walter Krämer näher zu bringen.
Krämer heute hier geehrt zu wissen, von Menschen die sich völlig im Klaren sind, was seine Taten wiegen, ist für uns eine Bestätigung, welche nicht hoch genug zu bemessen ist.
Zu wissen, dass künftig Schulklassen aus Siegen im Krematorium an der Gedenktafel stehen werden und darauf hingewiesen werden können, dass dieser hervorragende Mann aus ihrer Heimatstadt Siegen stammt, ist eine anspornende Gewissheit.
Es muss uns allen immer klar sein, dass es in einer solchen Auseinandersetzung nicht einfach um die Benennung einer Straße oder eines Platzes geht. Es geht um die Würdigung des antifaschistischen Widerstandes, die Deutungshoheit über die Geschichte des deutschen Faschismus und die Anerkennung des Schwurs von Buchenwald.
Lassen Sie mich mit einer persönlichen Bemerkung enden.
Im Jahr 2001 war Willy Schmidt, der sicher vielen hier persönlich bekannt war, zwei Tage lang unser Gast in Siegen.
An einem Abend hat er uns aus seinem beeindruckenden Leben als Gewerkschafter und Antifaschist berichtet, in einer Feierstunde für Krämer an dessen Grab hat er deutliche Worte gesprochen.
Zum Abschied hat er mir sein Buch geschenkt, in das er mir einige Worte geschrieben hatte. Seine Sorge galt schon damals der Fortführung des Vermächtnisses von Buchenwald wenn Kämpfer wie er einmal nicht mehr seien. Er verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass wir Jüngeren weiter führen würden was sie begonnen haben.
Ich möchte zum Schluss sagen dürfen. „Seid Euch sicher, wir tun unser Bestes! Heute und in Zukunft.“