Brief der LAG an Mr. Barack Obama

3. Juni 2009

Anlässlich des Besuches von Barack Obama in der Gedenkstätte Buchenwald richteten die Mitglieder der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e.V. folgenden Brief an den Präsidenten der USA:

Präsident
der Vereinigten Staaten von Amerika

Mr. Barack Obama

Berlin, im Mai 2009

Herr Präsident,

Sie werden als erster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar aufsuchen.

Als ehemalige Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald, hinterbliebene Angehörige und Menschen, die das Vermächtnis der ehemaligen Häftlinge  bewahren, begrüßen wir Sie aufrichtig und mit Respekt.
Das Konzentrationslager Buchenwald war ein grausames Lager.
Es gehörte in das faschistische System der Vernichtung von Menschen. Terror, Menschenverachtung, Folter und vielfältigste Grausamkeiten waren über acht Jahre eine ständige Existenzbedrohung für die Häftlinge.
Zugleich bewiesen Häftlinge aller im Lager vertretenen Nationen unter den furchtbaren Bedingungen die große Kraft des Humanismus. Sie organisierten sich illegal, um Widerstand leisten, sich solidarisch gegenüber Schwächeren verhalten zu können und schließlich ihre bewaffnete Befreiung im Geheimen vorzubereiten. Sie taten das im Bewusstsein, bei Entdeckung ihres Handelns getötet  zu werden.

Am 11. April entstand durch die entscheidende Annäherung der US-Armee an das Lager die Chance, die Pläne zur Befreiung in die Tat umzusetzen. Sie wurde entschlossen genutzt.

Ihre Befreiung empfanden die Häftlinge als ihre Wiedergeburt.
21.000 Häftlinge, die das Grauen überlebt hatten, traten am 19. April 1945 auf dem Appellplatz an, um ihrer erschossenen, gehenkten, zertrampelten, erstickten, ersäuften, verhungerten, vergifteten Kameraden zu gedenken.

Sie dankten allen Armeen der Antihitlerkoalition und ehrten den wenige Tage zuvor verstorbenen amerikanischen Präsidenten F. D. Roosevelt als großen Freund der Antifaschisten aller Länder.

Feierlich schworen die 21.000
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung.
Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Dieser Schwur ist bis heute verbindlich. Er ist aufgenommen worden von den nachwachsenden Generationen. Viel ist zu tun, um seine Aussage Wirklichkeit werden zu lassen. Weder ist der Nazismus mit seinen Wurzeln vernichtet, noch leben wir in einer Welt des Friedens und der Freiheit.

Herr Präsident,

wir sehen in Ihrem Besuch der heutigen Gedenkstätte Buchenwald einen symbolischen Akt, der den Willen zum Ausdruck bringt, an der Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit konstruktiv mitzuwirken.

In diesem Sinne begrüßen wir Sie
hochachtungsvoll

Günter Pappenheim                                                     

Buchenwaldhäftling Nr. 22 514                                     
Erster Vizepräsident                                                    
des Internationalen Komitees
Buchenwald-Dora und Kommandos

Vorsitzender der Lagerarbeitsgemeinschaft
Buchenwald-Dora

Gert Schramm
Buchenwaldhäftling Nr. 49 489
Mitglied des Häftlingsbeirates