Aufruf des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos (IKBD): Ein Verharmloser der NS-Verbrechen darf nicht Vizepräsident des Thüringer Landtages sein!

28. Januar 2025

Mit einem dringenden Appell wendet sich das Internationale Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos (IKBD), in dem sich Überlebende der beiden Konzentrationslager und ihre Angehörigen aus zahlreichen Ländern zusammengeschlossen haben, an die Abgeordneten des Thüringer Landtages: Es ruft sie dazu auf, den als Geschichtsrevisionisten und Holocaust-Verharmloser bekannten AfD-Abgeordneten Jörg Prophet nicht zum Vizepräsidenten des Thüringer Landtages zu wählen.

„In Thüringen bahnt sich ein handfester geschichtspolitischer Skandal an“, sagt dazu Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner. „Ausgerechnet nach der Gedenkstunde des Landtags am 29. Januar 2025 zum Internationalen Holocaust-Gedenktag soll jemand zu seinem Vizepräsidenten gewählt werden, der die NS-Verbrechen wiederholt verharmlost hat – für die Überlebenden des NS-Terrors ein unerträglicher Gedanke, und das nicht nur wegen des zeitlichen Zusammenhangs.“

Der Nordhäuser AfD-Landtagsabgeordnete Jörg Prophet ist in den vergangenen Jahren mehrfach mit geschichtsrevisionistischen und den Holocaust verharmlosenden Positionen aufgefallen. Nähere Infos dazu hier: https://www.geschichte-stattmythen.de/uebersichtskarte/joerg-prophet

Nachfolgend dokumentieren wir den Aufruf des Internationalen Komitees:

Ein Verharmloser der NS-Verbrechen darf nicht Vizepräsident des Thüringer Landtages sein!

Haifa/Paris, 23. Januar 2025
Mit Empörung und großer Sorge blicken die Überlebenden der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie ihre Angehörigen nach Thüringen. Dass dort mit dem AfD-Landtagsabgeordneten Jörg Prophet ein einschlägig bekannter Geschichtsrevisionist und Holocaust-Verharmloser zum Landtagsvizepräsidenten gewählt werden soll – und das ausgerechnet im Anschluss an die Gedenkstunde des Landtages und der Landesregierung zum internationalen Holocaust-Gedenktag – erschüttert uns zutiefst.

Jörg Prophet hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach öffentlich mit den Holocaust verharmlosenden und geschichtsrevisionistischen Positionen hervorgetan, in dem er beispielsweise den U.S.-amerikanischen Befreiern des KZ Mittelbau-Dora „Morallosigkeit“ vorwarf oder den industriellen Massenmord in Auschwitz mit den britischen Luftangriffen auf Dresden im Februar 1945 gleichsetzte. Er verbreitet unter Rechtsextremen häufig genutzte Geschichtslegenden, bezeichnet Nazis als „linke Sozialisten“ und nutzt die von der AfD (und vormals von der NPD) häufig verwendete Redewendung eines angeblichen „Schuldkults“, durch die die Erinnerung an das Leiden unserer Kameraden und Angehörigen massiv diskreditiert wird. Ein Beitrag Prophets wurde sogar (ohne dass sein Autor namentlich erwähnt wurde) in den Thüringer Verfassungsschutzbericht 2021 aufgenommen, der zu dem Schluss kommt, der Autor verfüge über ein „geschlossenes geschichtsrevisionistisches Weltbild“.

In den letzten Jahrzehnten wurde von politisch Verantwortlichen Thüringens immer wieder deutlich gemacht, dass die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen grundlegend für die demokratische Kultur Thüringens ist. Der Thüringer Landtag und der:die jeweilige Ministerpräsident:in haben maßgeblich dazu beigetragen, ein gutes Zusammenwirken zwischen der politischen Ebene, dem IKBD und unzähligen weiteren Menschen in Thüringen, die sich für die Würdigung der Opfer des NS-Terrors engagieren, möglich zu machen. Die bisher regelmäßige Einladung unseres Komitees zur Gedenkstunde am 27. Januar war nur ein Beispiel für dieses Zusammenwirken.

Als Komitee, welches auch weiterhin das Andenken an die Opfer der Verbrechen der Nationalsozialisten bewahrt, bedauern wir zutiefst, dass diese in den vergangenen Jahrzehnten entstandene enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit des IKBD mit den staatlichen Institutionen Thüringens durch die Kandidatur Jörg Prophets nunmehr stark bedroht ist. Sollte dem Landtag ein einschlägig als Geschichtsrevisionist bekannter Politiker als Vizepräsident vorstehen, wäre das ein schwerer Schlag gegen unsere enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Mehr noch: Es wäre ein schwerer Schlag gegen die aufgeklärte, kritische Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen und gegen die Würdigung der Opfer des Nationalsozialismus. Unter einem Vizepräsidenten Prophet wäre uns eine Teilnahme an Gedenkveranstaltungen im Thüringer Landtag nicht vorstellbar.

Wir rufen alle Abgeordneten des Thüringer Landtages dazu auf, sich ihrer geschichtlichen Verantwortung bewusst zu sein und den skizzierten Schaden für den Freistaat Thüringen noch abzuwenden.

Naftali Fürst (Haifa, Israel) Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos (IKBD), ehemaliger Häftling der KZ Auschwitz und Buchenwald

Kontakt:
Rikola-Gunnar Lüttgenau
Leiter Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora
Mail: presse@buchenwald.de

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