Begrüßung zum XI. Treffen der Nachkommen am 10. April 2022 in Buchenwald

10. April 2022

77. Jahrestag der Selbstbefreiung

Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e.V.
XI. Treffen der Nachkommen
Buchenwald 10. April 2022

Begrüßung durch André Goldtstein

Sehr geehrte Gäste, liebe Freunde der LAG Buchenwald-Dora,

Ich begrüße Sie/Euch im Namen der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e.V. sehr herzlich zum XI. Treffen der Nachkommen aus Anlass des 77. Jahrestages der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald, das „Die Wannsee-Konferenz 1942 und deren Auswirkungen auf die Konzentrationslager“ in den Mittelpunkt stellt.

Mein Name ist André Goldstein, ich bin einer der Söhne von Kurt Julius Goldstein, Auschwitz- und Buchenwald-Häftling #58866.

Diese Gedenkveranstaltung findet nach zwei Jahren Corona-bedingter Unterbrechung nun zu unserer großen Freude wieder in Präsenz statt.

Ich habe die Aufgabe, heute durch unsere Veranstaltung zu führen, von Volker Steinke übernommen.

Wir freuen uns viele Gäste zu unserem XI. Treffen der Nachkommen begrüßen zu können!

Insbesondere begrüßen wir:

–  Eva Fahidi aus Budapest, Überlebende der KZ ́s Auschwitz und Buchenwald, die ihre Erlebnisse in Büchern und Tanzperformances verarbeitet hat und ihren Partner Andor Andrasi,

–  Wasile Nussbaum, Überlebender der KZ ́s Auschwitz und Buchenwald aus Rumänien,

–  Naftali Fürst, Überlebender der KZ ́s Auschwitz und Buchenwald aus Israel, Präsident des IKBD und seine Frau Tova,

–  Petra Pau, Die Linke,Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages

–  Malte Krückels, Die Linke, Staatssekretär der Thüringischen Landesregierung,

–  Agnes Triebel, Mitglied des Büros des IKBD, Vizepräsidentin der Association Francaise Buchenwald Dora et Commandos,

–  Professor Dr. Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora,

–  Jaques und Judith Delfeld sowie Andreas Raatzsch vom Zentralrat der Sinti und Roma in Deutschland, und natürlich unseren Hauptredner

– Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees.

Sollte ich jemanden vergessen haben – ich bitte um Nachsicht, Sie alle sind uns herzlich willkommen!

Zurzeit erleben wir etwas Unvorstellbares – es ist wieder Krieg in Europa!

Russland hat unter Bruch des Völkerrechts die Ukraine überfallen…. Tausende Menschen sind bisher diesem Krieg zum Opfer gefallen.

Mein Herz krampft sich bei dieser Vorstellung zusammen! Es möchte unüberhörbar laut schlagen und die Kraft besitzen, dem Aggressor in den Arm zu fallen!

Die Waffen nieder kann unser Ruf nur sein! Frieden jetzt!

Keine Waffen für niemanden, denn jede Waffe findet ihren Weg in den Krieg!

Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine so wie wir jeden völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verurteilen!

Gleichzeitig bringen wir unsere Überzeugung zum Ausdruck, dass eine massive, grenzenlose Aufrüstung nicht dazu geeignet ist, die sozialen Probleme der Welt zu lösen, den Hunger zu bekämpfen und den Frieden zu sichern.

Unsere Gedanken sind bei den Überlebenden der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager und den Frauen und Kindern, die jetzt um Ihre Männer und Väter bangen.

Unter den Todesopfern befindet sich auch der Überlebende des KZ Buchenwald und frühere Vizepräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora, Boris Romantschenko aus Charkiw. Er überlebte 4 Konzentrationslager und hat jetzt sein Leben in einem unsinnigen Krieg Russlands gegen die Ukraine verloren.

Die LAG schließt sich den veröffentlichten Erklärungen des IKBD, des Internationalen Auschwitz Komitees und der anderen Lager-Komitees zum Überfall auf die Ukraine und den vermeintlichen Gründen dafür an!

Allerdings sollten wir uns vor Pauschalurteilen hüten und alle Russen als Kriegsunterstützer und zu „Feinden“ abzustempeln. Das ist genauso falsch wie das Narrativ, dass alle Ukrainer Anhänger des Massenmörders Stepan Bandera und somit Nazis und Faschisten seien. Beides ist falsch und demagogisch!

Wir alle kennen Beispiele des Protestes der Russischen Zivilgesellschaft, die mit Verhaftungen und Verurteilungen endeten. Sie waren in den Medien zu sehen.

Mit großer Verwunderung habe ich die „Botschaft der Veteranen und Kriegskinder des Großen Vaterländischen Krieges an das deutsche Volk und die deutsche Regierung“ gelesen.

Gegen die darin enthaltene Behauptung, es gäbe keine Familie in Deutschland, die am Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, an dieser furchtbaren blutigen Barbarei nicht beteiligt gewesen war – also an deren Stiefeln kein russisches Blut kleben würde, verwahre ich mich aufs Entschiedenste!

Ich tue dies im Namen meines Vaters und meiner Mutter, im Namen aller ermordeten, verstorbenen und noch lebenden ehemaligen politischen Häftlinge der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager wie auch im Namen aller ehemaligen Häftlinge aus rassischen und religiösen Gründen, der Homosexuellen und sogenannten „Asozialen“ und deren Nachkommen!

Ein weiterer schwerer Verlust bestimmt seit einem Jahr das Handeln unserer Lagerarbeitsgemeinschaft. Mit dem Tod von Günter Pappenheim, dem Vorsitzenden unserer Lagerarbeitsgemeinschaft und 1. Vizepräsidenten des IKBD im hohen Alter von 95 Jahren hat uns der letzte noch lebende deutsche Buchenwaldhäftling verlassen.

Sein Vermächtnis in Erinnerung zu behalten und nicht nachzulassen im Kampf gegen jegliche Formen des Neofaschismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassenhass sowie des Geschichtsrevisionismus muss unsere Aufgabe bleiben!

Im Gedenken an Boris Romantschenko und Günter Pappenheim sowie die Opfer des völkerrechtswidrigen Krieges in der Ukraine bitte ich um eine Gedenkminute!

Danke!

Alle diese Ereignisse stellen uns, die Nachkommen, Mitglieder der LAG und Freunde, vor große Aufgaben:

–  Das Wichtigste ist, alles in unseren Kräften Stehende zu tun, den Krieg in der Ukraine zu beenden!

–  Den Fortbestand der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora zu sichern!

–  Die LAG vor allem für junge Menschen zu öffnen und sie bei der antifaschistischen Arbeit mitzunehmen!

–  Unseren Kampf verstärkt gegen jegliche Aufrüstung zu richten. 100 Milliarden für den Frieden ja, für Krieg nein!