Rede von Dr. Boris Pahor
17. Mai 2010
Ansprache am 12. April 2010
(Übersetzung aus dem Französischen; es gilt das gesprochene Wort.)
Liebe Freunde,
ich bin sehr glücklich, dass ich Euch noch einmal treffen und mich zusammen mit Euch an die Befreiung der Lager erinnern kann. Zuerst möchte ich Euch mitteilen, dass ich aus Trieste komme, aber der slowenischen Gemeinschaft angehöre, die jahrhundertlang unterworfen in Österreich gelebt hat, die aber 1918 die italienische Staatsbürgerschaft erlangte. Und so hatte sie das Unglück, dass faschistische Regime erleiden zu müssen. Es war die erste europäische Diktatur mit Gefängnissen für Oppositionelle: Sie wurden interniert, nachdem sie lange, vor allem in Süditalien, auf den Inseln, gelebt hatten.
Hitler betrachtete Mussolini als seinen Meister. Zusammen haben sie Franco geholfen, die Macht in Spanien zu übernehmen. Außerdem unterstützte Mussolini in Italien Ante Pavelic, den späteren kroatischen Faschisten und Führer der Ustascha-Bewegung. Sie alle spezialisierten sich darauf, Konzentrationslager zu erschaffen – die Nazis am umfassendsten und schrecklichsten.
All dies erwähne ich, um Euch zu sagen, dass es sich um Lager für Oppositionelle handelte, oder, wie man auf französisch sagt, für Widerstandskämpfer, woanders heißen sie Partisanen etc.
Die ersten Lager in Deutschland waren Dachau und Buchenwald, Lager für deutsche Sozialisten, Kommunisten und Liberale. Das vergisst man oft zu sagen, aber 1945, bei der Befreiung, gab es noch einige wenige deutsche Inhaftierte, die seit 1933 überlebt hatten, dem Jahr, in dem Hitler an die Macht gekommen war.
Ich sage euch dies, weil ich bedauere, dass man im Allgemeinen diese Lager vergisst, in denen man arbeiten musste, bis man nicht mehr stehen konnte und in denen man starb an Hunger, an Krankheit, durch Erhängungen.
Es muss außerdem gesagt werden, dass die großen Lager wie Dachau, Buchenwald, Dora, Mauthausen, Bergen-Belsen etc. einige kleine Lager hatten, auch Kommandos genannt, in denen das Leben und Sterben noch schlimmer war als in den Lagern, deren Tote ins Krematorium gebracht wurden, oder sogar wie im Januar 1945, als ich hier war, wo ganze Züge mit Leichen ankamen, von denen man die Leichen auf großen Haufen verbrannte, auf großen Meilern, wie Kohlenscheite.
Ja, ich möchte sagen, dass es ungerecht ist, nicht von diesen Lagern zu sprechen. Vor einigen Monaten sind Vertreter von Jugend für Dora zu mir gekommen: Ein Ratschlag, um Dora bekannt zu machen? Man muss die bedeutenden Medien interessieren, habe ich gesagt, und eben dies habe ich auch gemacht und habe sogar bei einem Treffen mit dem Nobelpreisträger Imre Kertész im Odéon-Theater in Paris darüber gesprochen. Zudem habe ich einen Bericht über die Sabotage in Dora geschrieben. Außerdem sollte man sich ein Beispiel daran nehmen, was Frankreich im ehemaligen KZ Natzweiler-Struthof organisiert hat: Ein europäisches Zentrum für die deportierten Widerstandskämpfer. Hier kann eine Verbindung hergestellt werden zwischen Arbeitslagern, Lagern für politische Häftlinge mit den roten Winkeln – politische Häftlinge, die ihr Ende im Ofen fanden, weil sie – auch ohne bewaffnet gewesen zu sein – für die Freiheit gekämpft haben.
Sie haben das Recht, geehrt zu werden; insbesondere heute braucht ganz Europa ihr Beispiel, um sich gegen alle Versuche der antidemokratischen Kräfte zu verteidigen.
Man muss daher also erreichen, dass nicht nur wir hundert fromme Seelen unserer Toten gedenken, sondern ebenso die großen Zeitungen Europas, die Schulen Europas, die Kirchen Europas, das heißt die europäische Öffentlichkeit.