Günter Pappenheim zum 27.01.2007
30. Januar 2007
Dass der 27. Januar, der Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee, als Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus begangen wird, ist angesichts des zunehmenden Geschichtsrevisionismus und des offensichtlichen Paradigmenwechsels bei der Beurteilung der faschistischen deutschen Diktatur ein fast glücklicher Umstand.
Ich war der Häftling Nummer 22514 im KZ Buchenwald. Als Achtzehnjähriger kam ich an den Ort des Grauens. Unser Vater war gleich zu Beginn der Barbarei in einem KZ bestialisch ermordet worden, weil er als Jude und Sozialdemokrat Gegner der Nazis war. Und ich? Gegner der Nazis war ich ebenfalls. Meine reunde waren u.a. französische Kriegsgefangene, die in Schmalkalden Zwangsarbeit verrichten mussten. Weil ich an ihrem Nationalfeiertag auf meinem Akkordeon die Nationalhymne Frankreichs, die Marseillaise, spielte, zeigte mich ein deutscher Kollege an. Und die Gestapo war schnell zur Stelle. Sie wollten Namen aus mir herausprügeln und als das nicht gelang, steckten sie mich ins Lager. Als Häftling spürte ich Zuwendung und Solidarität meiner Kameraden. Zumeist waren das Kommunisten, organisiert in der illegalen Parteiorganisation im Lager. Sie hatten das illegale Internationale Lagerkomitee geschaffen und die illegale Internationale Militärorganisation aufgebaut, sie fühlten sich verantwortlich für das Überleben der Kameraden und bereiteten im Geheimen den bewaffneten Aufstand vor, oft das eigenen Leben riskierend. Nach der Selbstbefreiung gedachten wir am 19. April 1945 unserer erschossenen, gehenkten, zertrampelten, erschlagenen, erstickten, ersäuften, verhungerten, vergifteten Kameraden und schworen:
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Unser Schwur hat nichts an Bedeutung verloren, er ist aktuell, solange sich irgendwo Faschismus regt.
Günter Pappenheim
Erster Vizepräsident
des Internationalen Komitees
Buchenwald – Dora und Kommandos
[aus Anlass des 27. Januar 2007, Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus,
veröffentlicht in „sacco & vanzetti“, Januar 2007. gh]