Erbe antreten – Vermächtnis weitertragen

21. März 2015

Erklärung der Lagergemeinschaften, Komitees und Interessenverbände
ehemaliger Häftlinge zum 70. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager

Vor 70 Jahren wurden die Häftlinge der Konzentrationslager durch Angehörige der
sowjetischen, amerikanischen, britischen, französischen und polnischen Streitkräfte
befreit.

Am 19. April 1945 versammelten sich ehemalige Häftlinge des selbstbefreiten
Konzentrationslagers Buchenwald zu einer Trauerkundgebung für ihre ermordeten
Kameraden und erklärten feierlich:

» Wir schwören deshalb vor aller Welt auf diesem Appellplatz, an dieser Stelle des faschistischen Grauens: Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig. «

Der Schwur von Buchenwald ging in die Geschichte ein. Ehemalige Häftlinge anderer Konzentrationslager, wie Auschwitz, Dachau, Mauthausen, Neuengamme,
Ravensbrück und Sachsenhausen schlossen sich ihm an.

Nach ihrer Befreiung haben die ehemaligen Häftlinge Interessenverbände aufgebaut
und deren Arbeit jahrzehntelang maßgeblich gestaltet. Sie haben sich in den
zurückliegenden 70 Jahren immer wieder dafür engagiert, eine Wiederkehr ähnlicher
Verbrechen zu verhindern. Sie brachten insbesondere jungen Menschen ihre Erlebnisse und Erfahrungen in den Lagern nahe. Sie erzählten von dem Leid, das sie in ihrer eigenen Jugend erfahren mussten, von ihrem Widerstand und dem ihrer verstorbenen und ermordeten Kameradinnen und Kameraden. Besonders wichtig war es ihnen, an die Ursachen für diese Verbrechen zu erinnern und die Täterinnen und Täter beim Namen zu nennen.

In ihrem Vermächtnis
» Erinnerung bewahren – authentische Orte erhalten – Verantwortung übernehmen « vom 25. Januar 2009 erklärten KZ-Überlebende, die die internationalen Komitees von neun Lagern vertraten, öffentlich:

» Unsere Reihen lichten sich. In allen lnstanzen unserer Verbände, auf
nationaler wie internationaler Ebene, treten Menschen an unsere Seite, um die Erinnerung aufzunehmen. Sie geben uns Vertrauen in die Zukunft, sie setzen unsere Arbeit fort. Der Dialog, der mit uns begonnen wurde, muss mit ihnen fortgeführt werden. Für diese Arbeit benötigen sie die Unterstützung von Staat und Gesellschaft.
Die letzten Augenzeugen wenden sich an Deutschland, an alle europäischen Staaten und die internationale Gemeinschaft, die menschliche Gabe der Erinnerung und des Gedenkens auch in der Zukunft zu bewahren und zu würdigen.
Wir bitten die jungen Menschen, unseren Kampf gegen die Naziideologie und für eine gerechte, friedliche und tolerante Welt fortzuführen, eine
Welt, in der Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und
Rechtsextremismus keinen Platz haben sollen. …«

Wir, die Freunde und Mitstreiter, die Hinterbliebenen und Angehörigen der
ehemaligen Häftlinge sowie alle bei uns Engagierten, zusammengeschlossen in den
vielfältigen Interessengruppen, Komitees, Lagerarbeitsgemeinschaften,
Lagergemeinschaften, Initiativgruppen und Freundeskreisen, erklären aus Anlass
des 70. Jahrestages der Befreiung der Konzentrationslager, dass wir dieses Erbe
schon lange angetreten haben und das Vermächtnis weitertragen werden.
Wir verstehen uns als Bestandteil jener Kräfte, die die Erinnerungskultur in
Deutschland und auch international mitgestalten sowie kritisch und engagiert
begleiten.

Daher fordern wir einen gleichberechtigten Platz in den Gremien der für
die Gedenkstätten zuständigen Stiftungen und lnstitutionen.
Wir werden gemeinsam mit den Vertreterinnen und Vertretern der anderen Häftlings- und Opferverbände, der jüdischen Gemeinden, der Sinti und Roma, der Zeugen
Jehovas, der Schwulen- und Lesbenverbände, der »Euthanasie«- Geschädigten, die
seit vielen Jahrzehnten andauernde Arbeit fortsetzen.

Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um das Vermächtnis unserer
Freundinnen und Freunde, unserer Kameradinnen und Kameraden, unserer Eltern
und Großeltern nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
lhre Erfahrungen und ihr Leiden, ihr Widerstandsgeist und ihre Solidarität, ihr Kampf und ihre Freude am Leben sind uns Ansporn und Verpflichtung.

lhre zentrale Forderung tragen wir weiter:
» Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus! «

26. Januar 2015

Unterzeichnende Verbände:
Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer e.V.
Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e.V.
Lagergemeinschaft Dachau e.V.
Deutsches Mauthausenkomitee Ost e.V.
Lagergemeinschaft und Gedenkstätte KZ Moringen e.V.
Arbeitsgemeinschaft Neuengamme e.V.
Lagergemeinschaft Ravensbrück / Freundeskreis e.V.
Lagerarbeitsgemeinschaft KZ Sachsenburg e.V.
Sachsenhausen-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.

Unterstützer:
Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.