4. Treffen der Nachkommen in Buchenwald

17. April 2013

Im Rahmen der Veranstaltungen anlässlich des 68. Jahrestages der Selbstbefreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers nimmt das Treffen der Nachkommen einen festen Platz ein, wenngleich ihm teilweise noch immer mit Ignoranz begegnet wird. Das 4. Treffen der Nachkommen, zu dem die Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora (LAG) für den 14. April 2013 in den Kinosaal der Gedenkstätte Buchenwald eingeladen hatte, setzte eine Tradition fort, die immer stärkere Resonanz auch bei jüngeren Menschen findet. Wieder trafen sich ehemalige Häftlinge, Hinterbliebene und Nachkommen von Häftlingen, Antifaschistinnen und Antifaschisten aus der ganzen Bundesrepublik, um sich gegenseitig kennenzulernen, um den Austausch von Gedanken zu pflegen. Die Plätze im Kinosaal der Gedenkstätte Buchenwald reichten nicht aus, um alle Interessierten aufzunehmen. Unkompliziert besetzten die Jüngeren Stufen, um Betagteren Platz in den Sesseln zu bieten. Eine Gruppe ehemaliger Häftlinge aus der Ukraine, aus Belarus und Russland war der Einladung der LAG gefolgt und wurde mit besonderer Herzlichkeit begrüßt, war doch die Zusammenkunft aus Anlass des 68. Jahrestages der Selbstbefreiung der Häftlinge des KZ dem solidarischen antifaschistischen Widerstand bei Ankunft der Massentransporte sowjetischer Kriegs- und Zivilgefangener 1943 in Buchenwald gewidmet.

Bereits am Vortag wurde an den Fundamenten des ehemaligen Pferdestalls der bestialischen Ermordung von über achttausend sowjetischen Kriegsgefangenen gedacht. Wilfried Beater erinnerte daran, dass unter den Ermordeten auch Genossen seines Vaters gewesen sein können, der als Kommunist zur Roten Armee übergelaufen sei, in ihren Reihen gegen den faschistischen Feind als anerkannter und geachteter Genosse gekämpft hatte und so das andere Deutschland erkennen ließ. Zitate aus Zeitzeugenberichten von Karl Barthel und Richard Kucharczyk erinnerten an die Mordorgien der SS in der Genickschussanlage, zugleich an das solidarische Verhalten der Häftlinge gegenüber sowjetischen Kameraden. Am Gedenkstein für das sowjetische Kriegsgefangenenlager wurde mit Blumengebinden und still der vielen Opfer gedacht
Auf der großen Filmleinwand gezeigte Fotos ehemaliger deutscher Häftlinge des KZ Buchenwald und einiger ihrer Kameradinnen und Kameraden aus der Sowjetunion stimmten das Gedenken im Kinosaal der Gedenkstätte ein. Es handelte sich diesmal um Fotos solcher deutscher Häftlinge, die in besonderer Weise den sowjetischen Häftlingen verbunden waren.

Professor Heinrich Fink, Vorsitzender der VVN-BdA, eröffnete das diesjährige Treffen, an dem auch Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates deutscher Sinti und Roma, Vertreter der Jüdischen Gemeinde, die Bundestagsabgeordneten der Fraktion Die Linke Kersten Steinke und Jens Petermann, der Vorsitzende des Fördervereins Buchenwald e.V. Dr. Volkhardt Germer sowie Abgesandte der Botschaft Russlands in der BRD teilnahmen.
In seiner Begrüßung erklärte der ehemalige Häftling Nummer 22514 und jetzige Vorsitzende der LAG, Günter Pappenheim, dass die Solidarität im Lager ein bedeutsames Überlebensmittel war, was nicht vergessen werden dürfe, weil es zur Erinnerung gehört. Das sei umso wichtiger, als Bestrebungen sichtbar sind, es vergessen zu machen. Bezug nehmend auf die Aktualität des Schwurs von Buchenwald bezeichnete er es als zynische Verharmlosung des Faschismus und schwere Beleidigung der Opfer, wenn Neofaschismus heute schnoddrig als Dummheit bezeichnet werde, die sich nicht verbieten lasse, um damit zu rechtfertigen, weshalb die Bundesregierung keinen Antrag zum Verbot der NPD stelle. Das sei verordneter Anti – Antifaschismus. Diesen endlich aufzugeben forderte er energisch und verlangte zugleich, die neofaschistische NPD unverzüglich und nachhaltig zu verbieten.

In seinem Grußwort würdigte der Bürgermeister der Stadt Weimar, Peter Kleine, kontinuierliches Gedenken dieser Form und diesen Inhalts als wichtig und bedeutsam für die Bürgerinnnen und Bürger der Stadt, weil es zeige, wie eng das Verhältnis zwischen den ehemaligen Häftlingen, der Stadt Weimar und der Gedenkstätte Buchenwald sei. Buchenwald sei ein Teil Weimars. Er verwies auf die direkte Verantwortung der Stadt gegenüber sowjetischen Kriegs- und Zivilgefangenen, die hier Zwangsarbeit leisten mussten.
Mit einem an historischen Fakten reichen Referat benannte der Historiker Dr. Jens Binner Hintergründe, Zusammenhänge und eine Vielzahl interessanter Details für den ungeheuerlichen faschistischen Terror gegen sowjetische Kriegs- und Zivilgefangene in der Sowjetunion und in den KZ.

Diese sachliche Darstellung unterlegte der ehemalige Häftling Boris Romantschenko mit dem emotional beeindruckenden Bericht über sein Erleben in Buchenwald und im KZ Mittelbau-Dora. Bertrand Herz, Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos, verwies in seinem Grußwort auf den hohen Wert der internationalen Solidarität, die den sowjetischen Kriegs- und Zivilgefangenen entgegengebracht wurde. Er und sein Vater hätten Solidarität im Lager als hohes Gut erlebt.

Ottomar Rothmann, Ehrenbürger der Stadt Weimar, ehemaliger Häftling Nummer 6028, sprach über seine Erinnerungen an das Eintreffen der ersten weiblichen Häftlinge aus der Sowjetunion im KZ Buchenwald, was im Häftlingslager eine Welle der Solidarität auslöste. Mit klarer, kräftiger Stimme sprach der heute fast Zweiundneunzigjährige von der unglaublichen Kraft einer freundlichen Geste gegenüber den hungernden, gequälten, gedemütigten Frauen. Das solidarische Verhalten gegenüber den Frauen habe zugleich die eigene Zuversicht gestärkt im Kampf gegen die Faschisten.

Lena Sarah Carlebach las erschütternde Aussagen von Frauen aus der Sowjetunion, die als Zwangsarbeiterinnen in das KZ Buchenwald verschleppt und von dort zu schwerster Arbeit in Außenlager kommandiert wurden. Nina Schalagina musste als Fünfzehnjährige mit ihrer Mutter und der fünfjährigen Schwester ihre von der Wehrmacht niedergebrannte Heimatstadt Klinzy verlassen. Als so genannte Russische Zivilarbeiterin kam sie mit der Häftlingsnummer 36966 in das Außenlager des KZ Buchenwald Hasag Taucha. Dort hatte sie täglich zwölf Stunden in der Granatenproduktion zu arbeiten.

Einer zum Abschluss des 4. Treffens der Nachkommen in deutscher und russischer Sprache vorgetragenen Erklärung stimmten die Anwesenden mit starkem Befall zu.
Mit dem Buchenwaldlied wurde das beeindruckende 4, Treffen der nachkommen in Buchenwald beendet.

Gerhard Hoffmann