Begegnungen auf dem Ettersberg

16. April 2010

Von der medialen Öffentlichkeit weniger wahr- oder vorsätzlich nicht zur Kenntnis genommen, trafen sich am 11. April anlässlich des Gedenkens an die Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald ehemalige Häftlinge und hinterbliebene Angehörige.

Im Kinosaal der Gedenkstätte waren nahezu alle der dreihundert Plätze besetzt. Die Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora (LAG) hatte zu dieser Zusammenkunft eingeladen, die dank einer erfolgreichen Unterstützungskampagne möglich wurde. Emotional sehr berührt trafen sich Angehörige, Töchter und Söhne, Enkel ehemaliger Buchenwalder. Als das Buchenwaldlied erklang, erhoben sich alle von ihren Plätzen, um so dessen zu gedenken, was hier vor fünfundsechzig Jahren geschehen war.

Günter Pappenheim, Erster Vizepräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Vorsitzender der LAG, erinnerte eindringlich an die Solidarität im Lager und daran, dass jede Hilfe, die geleistet werden konnte, nur möglich war, indem Häftlinge ihr eigenes Leben riskierten.
Das Andenken an die Opfer des faschistischen Terrors in den Herzen der Menschen weiterleben zu lassen und die Geschichte von Buchenwald, so wie sie gewesen ist, zu bewahren, sei sein Wunsch und seine Bitte an die nachfolgenden Generationen. Das Gelöbnis der Enkel anlässlich des sechzigsten Jahrestages der Selbstbefreiung und das Abschlussdokument des Internationalen Jugendtreffens von 2008 böten dazu beste Voraussetzungen. Der Schwur von Buchenwald behalte aktuelle Berechtigung bis zu seiner tatsächlichen Erfüllung. Mit Auszügen aus „Nummer 58866 Judenkönig“, gelesen von Elke Pudszuhn, wurde des deutschen Kommunisten, jüdischen Antifaschisten, Spanienkämpfers und Häftling in den KZ Auschwitz und Buchenwald, Kurt Julius Goldstein, gedacht. Zeitgleich erhielt in Berlin Marzahn-Hellersdorf der Abschnitt eines neuen Parks seinen Namen, was großem Beifall in Buchenwald fand. Der polnische KZ-Überlebende Mordichei Weinryb sprach emotional stark beeindruckt von seinem Erleben in Buchenwald und davon, dass deutsche Buchenwalder im Lager durch ihre Solidarität die Ehre ihres Volkes verteidigt hätten.

Trotz seines hohen Alters hatte er darauf bestanden, im Kinosaal zu sprechen und die noch immer nicht umgesetzte Forderung: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! als eine dringend aktuelle zu erheben. Wolfgang Wegmann aus Wuppertal sprach erschüttert von dem, was er über seinen Großvater, Antifaschist und Buchenwalder, in Erfahrung gebracht hatte. Er werde sich weiter engagieren und nicht aufhören, die Wahrheit über das Verbrecherische des Faschismus zu verbreiten. In diesem würdigen Rahmen stellte Heinz Koch, Historiker und langjähriges Mitglied in der LAG, sein gemeinsam mit Udo Wohlfeld rechtzeitig zum 65. Jahrestag der Selbstbefreiung fertig gestelltes Buch „Das deutsche Buchenwaldkomitee. Die Periode 1945 bis 1958“ vor. Der Vorsitzende der VVN-BdA, Heinrich Fink, betonte, die Stafette müsse in die Verantwortung der nächsten Generation gegeben werden, denn „unser Kampf gegen den Neofaschismus ist nur von den Enkeln fortzuführen.“ In diesem Sinne fand bereits am 10. April in Weimar ein von Enkelkindern ehemaliger Buchenwalder initiiertes internationales Treffen „Third Generation Buchenwald“ statt.

„Das Vermächtnis der ehemaligen Buchenwalder Häftlinge zu bewahren, ist uns Bedürfnis und Aufgabe, weil wir Frieden, Demokratie und Freiheit als für die Menschheit lebensnotwendig halten“, heißt es in einer Erklärung, die zum Abschluss der Zusammenkunft einhellig verabschiedet wurde.
Im Anschluss an die Veranstaltung der LAG erfolgte die Teilnahme am offiziellen Gedenken des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos, der Bundes- und Landesregierung auf dem ehemaligen Appellplatz des Lagers.

Gerhard Hoffmann

Zum Wortlaut der Erklärung
Kontakt „Third Generation Buchenwald“: info.3rd.buchenwald[@]googlemail.de

Koch, Heinz/Wohlfeld, Udo: Das deutsche Buchenwaldkomitee. Die Periode 1945 bis 1958. Schriftenreihe der Geschichtswerkstatt Weimar Apolda „gesucht“, Heft 7. 199 S., Abb., 10,00 €
ISBN 3-935275-14-5