Nachruf für Willi Frohwein

20. Dezember 2009

Mit großer Trauer nehmen wir Abschied von unserem Freund Willi Frohwein.
Im Alter von 86 Jahren verstarb er am 12. Dezember 2009 in seiner Babelsberger
Wohnung.

Willi Frohwein war vielen Menschen in Potsdam und in der Bundesrepublik durch
sein Engagement als Zeitzeuge bei der Aufklärung über die NS-Zeit
bekannt. Seine menschliche, einfühlsame und humorvolle Art wurde sehr
geschätzt, vor allem von Jugendlichen, denen er große Sympathien und
Verständnis entgegen brachte.

Willi Frohwein wuchs in einer Arbeiterfamilie in Spandau mit drei Geschwistern
auf. Seine Mutter war Katholikin. Sein Vater war aus der jüdischen Gemeinde
ausgetreten, um die Ehe von der katholischen Kirche anerkennen zu lassen. Willi
wurde katholisch erzogen. 1935 machten ihn die so genannten Nürnberger
Gesetze der Nationalsozialisten zum „Halbjuden“. Von einem Tag zum
anderen verlor der 12-jährige Willi Frohwein seine Freunde in der Schule.
Nach der Pogromnacht 1938 in Spandau, die er als Augenzeuge erlebte, wurden er
und seine Familie zunehmend ausgegrenzt und verfolgt. Seine Ausbildung zum
Wäscher und Plätter durfte er nicht abschließen. Eine Flucht war
der Familie aus finanziellen Gründen nicht möglich.

1942 wurde Willi Frohwein zur Zwangsarbeit in die Werkzeugmaschinenfabrik Sasse,
wo er Munition polierte, dienstverpflichtet. Absichtlich produzierte er
Ausschuss. Nach mehrmaliger Vorladung und Abmahnung durch die Firmenleitung
entschloss er sich zur Flucht über die Schweizer Grenze. Sie misslang.
Willi Frohwein wurde in Berlin-Wuhlheide inhaftiert und von dort nach Auschwitz
deportiert. Hier arbeitete er in der neuen Wäscherei, wo er mit dem
Mithäftling Bruno Baum bekannt wurde, der in der benachbarten
Elektrowerkstatt tätig war.

Sein Überlebenswille und die Verkettung mehrerer glücklicher
Umstände retteten ihm das Leben. Seine Familie entkam dem Abtransport in
ein Lager nur zufällig. Durch einen Brief der Mutter an den
Lagerkommandanten wurde Willi vor dem Abtransport zur Gaskammer in Birkenau
gerettet. Der Lagerkommandat war wohl irritiert darüber, dass Willi
Frohweins Bruder Hans an der Front war und er selbst im Lager. Hans wurde in ein
Strafbataillion zwangsrekrutiert und musste Minen räumen. Willi Frohwein
wurde auf diese Weise wieder zu einem „Deutschen“ erklärt.

Im Januar 1945 musste er auf den so genannten Todesmarsch gehen. In offenen
Kohlewaggons wurde er zusammen mit anderen Häftlingen in das KZ
Mittelbau-Dora deportiert, wo er an der „Wunderwaffe“ V2 mitbauen
sollte. Er wurde schließlich in Bergen-Belsen von britischen Soldaten
befreit.

Nach 1945 arbeitete Willi Frohwein zunächst als Kriminalkommissar in
Potsdam und war Mitglied der SED. Er beteiligte sich an der Gründung der
Volkssolidarität, engagierte sich in der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes und später im Kreiskomitee der antifaschistischen
Widerstandskämpfer. Er arbeitete auch als Aufnahmeleiter im DEFA-Studio
für Spielfilme.

1966 sagte Willi Frohwein als Hauptbelastungszeuge im Prozess gegen den
Lagerarzt Horst Fischer aus, der ihn zweimal selektiert hatte. Seit dieser Zeit
sprach Willi Frohwein öffentlich von seinen Erlebnissen. Seitdem war er mit
tausenden Schülerinnen und Schülern im Gespräch. Die Stadt
Potsdam ehrte ihn im Jahr 2005 gemeinsam mit Otto Wiesner, als einzige ehemalige
KZ-Häftlinge, durch den Eintrag in das Goldene Buch der Stadt. In der
Aufklärung junger Menschen über den Faschismus hat er zuletzt seinen
Lebenssinn gesehen. Durch seine einfühlsame und sensible Art, durch seinen
Humor und seine dialogische Weise des Erzählens ohne jeglichen belehrenden
Unterton bleibt er uns sehr nahe. „Es muss aus dem Herzen kommen, dann
macht der Kopf schon weiter“, sagte er oft in Gesprächen auf seine so
für ihn typische Berlinerische Art.

In vielen Zusammenkünften in Schulen, wie der Realschule in Lengede
(Niedersachsen), die auf Wunsch der Schüler seit Juni 2008 seinen Namen
trägt, oder im Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin, mit dem sich Willi auf
das Engste verbunden fühlte, haben vor allem junge Menschen diese
menschliche Wärme erfahren können.

Neben seinem Engagement als Zeitzeuge hat sich Willi Frohwein aber auch immer
wieder bei erinnerungspolitischen Fragen zu Wort gemeldet, zuletzt
beispielsweise in der Auseinander­setzung um die Umgestaltung der
Gedenktafel zum Novemberpogrom 1938 in Potsdam, deren Initiator Willi selber war
oder zur Würdigung des ehemaligen Auschwitz-Häftlings Bruno Baum.

VVN-Ausweis von Willi Frohwein

Die Unterstützung einer antifaschistisch orientierten politischen Kultur
war ihm stets ein wichtiges Anliegen, das er nach seiner Befreiung aus dem KZ
verfolgte. Er engagierte sich seit 1947 in der Brandenburger Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes (VVN), später als stellvertretender Vorsitzender
des Kreiskomitees Potsdam der Antifaschistischen Widerstandskämpfer und
zuletzt unterstützte er die Gründung der Brandenburger
Landesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen
und Antifaschisten (VVN-BdA).

Wir werden ihn nicht vergessen.